1920: Neuanlage des elektrischen Lichtes
Mit allen Stimmen wurde die Neuanlage des elektrischen Lichtes beschlossen, und zwar der Niederspannungsausbau bis an den Zähler des Endverbrauchers ist aus der Gemeindekasse zu zahlen. (Beschluss vom 25.11. 1920)
Der vorstehende Beschluss der Gemeindevertretung beinhaltet, dass das Ortsnetz zur Versorgung der Häuser und Stallungen mit elektrischem Strom, Eigentum der Gemeinde bleibt. (Archiv der Gemeinde Hellenhahn–Schellenberg)
1921: Ausschreibung und Vergabe der Arbeiten zur Erstellung des elektrischen Ortsnetzes
„Nach Ausschreibung der Arbeiten am 05.04.1921 wurde am 26.04.1921 mit 9 gegen 3 Stimmen dem Installateur Holstein von Westerburg das Niederspannungsnetz übergeben, unter der Bedingung, dass die 5 % für die Bauleitung im Kostenvoranschlag in Wegfall kommen.“(Archiv der Gemeinde Hellenhahn.)
Die Gemeinde Hellenhahn-Schellenberg trat der KEVAG gegenüber als Großabnehmer für die Lieferung von Strom auf. Das Ortsnetz war bis nach dem 2. Weltkrieg Eigentum der Gemeinde. Diese rechnete mit dem Endverbraucher die Kosten für den Verbrauch von elektrischem Strom ab. Der Strompreis, den die Gemeinde von ihren Stromkunden abforderte, war höher als der später zu zahlende Betrag für die gleiche Leistung an die KEVAG.)
Über die damalige Situation im Dorfe wird berichtet: „Endlich beschloss sich unsere Gemeindevertretung, vor allem wohl durch die rege Arbeit des Bürgermeisters, elektrisches Licht auch unserer Gemeinde zu geben. Dass ein harter Bewerbungskampf der Installateure einsetzte, lässt sich denken. Die Wahl entschied sich für O. Holstein, Westerburg. Lässt sich auch eine Anlage von heute auf morgen nicht fertig stellen, so dauert sie hier doch viel zu lange. Kein Wunder, wenn man unsere Gemeinde kennt! Schuld trifft nicht den Unternehmer, sondern jene „Außenseiter“, denen nie etwas recht zu machen ist. Der Eine will den Mast nicht „vor seiner Nase“ haben, der Andere kann den Mast nicht auf seinem Grundstück gebrauchen. Solche unsinnigen Treibereien hemmten natürlich den Fortgang im Bau einer Leitung. An bösen Zungen fehlt es nie. Ein Installateur arbeitet gegen den Anderen. Durch derartige Verhetzungen kamen sehr viele Leute zu Unschlüssigkeit, die wieder hemmten. Wann sind alle Hindernisse genommen und wann brennt’s Licht?“ (Lehrer Wiegelmann in der Schul-Chronik)
1922: Das elektrische Ortsnetz der Gemeinde geht in Betrieb
Das Ereignis des Jahrhunderts ist scheinbar die Inbetriebnahme des elektrischen Ortsnetzes am 24. Mai des Jahres 1922. Es bedarf einiger Zeit, bis die älteren Leute begreifen, dass das Licht nicht mehr mit einem „Fidibus“ angezündet wird, und dass man das Licht auch nicht durch Ausblasen löschen kann. Die Schul-Chronik berichtet durch Lehrer Wiegelmann von jenem bedeutungsvollen Tag:
„Der 24. Mai d. J. ist für unsere Gemeinde ein denkwürdiger Tag. An ihm brennt zu ersten Male das elektrische Licht. Es ist nun endlich wahr geworden, was man so lange herbeisehnte. Abgesehen von kleinen Störungen, musste man sagen, dass alles „geklappt“ hat. Die Freude über das neue Licht war eine große. Mit welch leuchtenden Augen sahen Groß und Klein nach dem „Wunderbaren“. Manche erfreuten sich des neuen Strahlens derart, dass sie das Licht die ganze Nacht leuchten ließen, wenn auch unfreiwillig. Aus Anlass des Lichtereignisses in unserer Gemeinde fand am folgenden Sonntag eine kleine Lichtfeier statt.“ (Auszug aus der Schulchronik)
Am 5. Juni 1922 beschließt die Gemeindevertretung den Strompreis für die Endverbraucher: monatlich werden 2 Mark Zuschlag auf den Verbrauch der Kilowattstunde und zwei Mark für Zählermiete erhoben. Am 18. Juni 1922 wird Rudolf Zimmermann einstimmig als Zählerableser eingesetzt. Für diese Arbeit erhält R.Z. 4 % der Hebegebühren. (Archiv der Gemeinde Hellenhahn-Schellenberg)
S. 91-92 der Ortschronik von Hermann Hering, 2012
Und noch was zum schmunzeln:
„Maschinenbau“ und andere handwerkliche Geschicke
Da alkoholische Getränke nicht zu erwerben waren, wurde mit selbst gebauten Destillationsgeräten, aus allem was Kohlenhydrate enthielt, Schnaps gebrannt. Die hohe Kunst der Destillation von Roggen und anderen Rohprodukten gehörten damals zur Allgemeinbildung. Das Herstellen der erforderlichen Apparate erforderte natürlich einiges technische Wissen und Können. So wurden aus Feuerlöschern, Feldküchenkesseln, Bremsleitungen, von durch Beschuss beschädigten Lkw, Einkochkesseln und anderen Behältern die raffiniertesten Destillationsapparate hergestellt. Improvisation war Trumpf. Es wurden die erstaunlichsten Dinge konstruiert und gebaut. Tabak-Schneidemaschinen mit automatischem Vorschub, für alle Schnittstärken einstellbar, erregten damals mehr Bewunderung als dies in der heutigen Zeit ein rassiger Sportwagen vermag. Aus Bettlaken stellten Frauen und Mütter elegante Staubmäntel her. Aus Militärmänteln und ehemaligen Uniformteilen entstanden Zivilanzüge und Zivilmäntel. Die Damen waren gezwungen, aus mehreren abgetragenen Kleidungsstücken ein neues Kleid zu schneidern.
S. 188 der Ortschronik von Hermann Hering, 2012